Die Erwerbsminderungsrente abgelehnt. Die Klägerin hat trotzdem gewonnen.
Was ist mit der Klägerin geschehen ?
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten der Deutschen Rentenversicherung eine volle Erwerbsminderungsrente.
Unsere Mandantin, 50 Jahre alt, ist Mutter von Kindern. Sie hat einen Berufsabschluss als Transportfacharbeiterin. Sie arbeitete immer als Putzfrau. Im Jahr 1996-97 erkrankte sie schwer und verlor auf Grund einer Virusinfektion ihren rechten Unterarm. Eine Prothese kann sie nicht tragen, weil sie erhebliche Schmerzen im Stumpfbereich des bestehenden Armgelenkes hat. Sie war Rechtshänderin. Sie hat einen Grad der Behinderung von 60 dauerhaft anerkannt bekommen. Daneben wurde ihr auch ein künstliches Kniegelenk eingesetzt und sie hat auch eine beginnende Arthrose im linken Daumengrundgelenk. Sie kann mit ihrer linken Hand keinen Faustschluss mehr machen.
Sie bezog von 1997 bis 2008 mit Verlängerungen eine Erwerbsminderungsrente. Diese wurde ihr bei Verlängerungsersuchen nicht weiter bewilligt. Die Klägerin bezieht seit 2002 Sozialleistungen, zuletzt Hartz IV.
Unsere Mandantin ließ sich trotz ihres Schicksals nicht hängen und brachte sich, so gut wie es ging, das Schreiben mit der linken Hand selbst bei. Sie kümmerte sich um ihren gesamten Haushalt, ging jeden Tag mit ihrem Hund spazieren und ist diszipliniert in ärztlicher Behandlung und bekommt auch wöchentlich, wegen anfänglicher Rückenprobleme Krankengymnastik. Generell ist die Klägerin ein positiv eingestellter Mensch und möchte sich im gesellschaftlichen Leben einbringen, was aber bis zum heutigen Tage leider nicht geklappt hat.
Erwerbsminderungsrente abgelehnt, warum ?
Die beantragte Erwerbsminderungsrente wurde im Widerspruchsverfahren durch die Deutsche Rentenversicherung abgelehnt. Die Klägerin beauftragte uns, die Klage zu übernehmen. Wir haben die Akte angefordert und die Klage begründet. Der Klägerin wurde Prozesskostenhilfe bewilligt.
Das Sozialgericht hat dann auf die Klagebegründung und auch auf Grund eigener Sachaufklärungsbemühungen im Frühjahr 2016 ein umfassendes arbeitsmedizinisches Gutachten beauftragt. In diesem Gutachten kam die Gutachterin zum Ergebnis, dass die Klägerin trotz ihrer körperlichen Einschränkungen, leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über 6 Stunden, aber mit Abstrichen ausüben kann. Weiterhin teilte die Gutachterin in mehreren Passagen des Gutachtens mit, dass die Klägerin weder Teilhabeleistungen am Arbeitsleben bekommen hat, noch irgendwelche Maßnahmen im Schwerbehindertenbereich mit ihr durchgeführt worden sind, die sie befähigen können, auch mit ihrem Handicap einer Arbeit nachzugehen. Dies müsse dringend nachgeholt werden.
Daraufhin benannte die Beklagte noch als Verweisungsberuf, welchen die Klägerin ausüben könne, den Pförtner an der Nebenpforte. Hierzu haben wir mit Verweis auf eine Rechtsprechung des Landessozialgerichtes Baden-Württemberg ( Urteil vom 20.01.2015, Aktenzeichen L 11 R 2944/12) mitgeteilt, dass die Klägerin aus verschiedenen Gründen diesen Verweisungsberuf nicht ausüben könne. Deshalb stünde ihr auch unter Maßgabe einer Erwerbsfähigkeit von mehr als 6 Stunden kalendertäglich eine volle Erwerbsminderungsrente zu.
Das Sozialgericht lehnte in der mündlichen Verhandlung vom 12.08.2016 diesen Einwand unter Hinweis einer eigenen Rechtsprechung des Landessozialgerichtes Sachsen-Anhalt, Aktenzeichen: L § R 178/08, ab. Der Versuch, die Erwerbsminderungsrente gerichtlich durchzusetzen, würde scheitern. Die Klage auf EM-Rente wäre, so das Gericht, aussichtslos.
Teilhabeleistungen gewonnen !
Dennoch hat die Klägerin gewonnen. Sie hat jetzt die Chance bekommen, über Teilhabeleistungen am Arbeitsleben, eine neue Beschäftigung zu bekommen und eventuell aus dem Hartz IV -Bezug herauszukommen.
Die Vorsitzende Richterin der Kammer am Sozialgericht hatte die mündliche Verhandlung am 12.08.2016 sorgfältig vorbereitet. Sie ist auf das gerichtliche Gutachten eingegangen und hat geäußert, dass es nicht sein könne, dass die Klägerin mit ihren Problemen allein da steht. Ihr müsse geholfen werden. Insbesondere müsse ihr ein spezifischer Linkshänderschreibkurs und eine Arbeitserprobung seitens der Deutschen Rentenversicherung im Rahmen der Teilhabeleistung angeboten werden. Denn eines war nach den Erkenntnissen der mündlichen Verhandlung klar, die Klägerin will aktiv sein und eigentlich mit ihrem bestehenden Leistungsvermögen arbeiten oder einen Job ausüben, der noch Entgeltpunkte für ihre spätere Altersrente einspielt.
Auch die beisitzenden Richter sahen den Sachverhalt so. Daneben hatte das Gericht auch noch das Intergrationsamt Halle angerufen und gefragt, was dort für die Klägerin gemacht werden kann. Von dort kam sofort die Bereitschaft,der Klägerin zu helfen. Telefonnummern wurden ausgetauscht. Ich habe nach der mündlichen Verhandlung beim Integrationsamt angerufen und der zuständigen Mitarbeiterin mitgeteilt, dass meine Mandantin am 15.08.2016 den Kontakt zu ihr aufnehmen wird.
Insgesamt war das Ergebnis der mündlichen Verhandlung so, dass die Beklagte im Wege eines Vergleiches die Teilhabeleistungen zu Gunsten der Klägerin anerkannt hat. Das Gericht hat schriftlich aufgegeben, welche Teilhabeleistungen speziell für die Klägerin zu erbringen sind. Die Beklagte hat zugesichert, dass die Klägerin schnellstmöglich die vereinbarten Leistungen erhält. Die Klägerin hat dann ihre Klage auf Erwerbsminderung zurückgenommen.
Für unsere Mandantin war die Gerichtsverhandlung ein wichtiger Schritt für die Zukunft. Sie war mit dem Ergebnis der Verhandlung sehr zufrieden. Ohne der Vorsitzenden Richterin der Kammer am Sozialgericht Halle wäre dieses Ergebnis so nicht möglich gewesen. Herzlichen Dank dafür!
Ihre Rentenberatungs-und Rechtsanwaltskanzlei Peter Knöppel
Peter Knöppel
Rechtsanwalt , Fachanwalt für Sozialrecht und gerichtlich zugelassener Rentenberater
Spezialisiert auf gesetzliche Rente, Unfallrente, Schwerbehindertenrecht und Sozialrecht allgemein.
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